Villon – Balladen und Lieder
  • Villon – Balladen und Lieder
  • François Villon, sein Leben und sein Werk
    • Notwendige Anmertung
  • Eine Ballade für den Hausgebrauch im Winter
  • Die Sommerballade
  • Eine Trauerballade für Cylaea
  • Die Ballade von den drei Landsstreichern
  • Vierzeiler an Margot
  • Eine Ballade für Mira
  • Eine kleine Ballade für Florestan
  • Die Ballade von den Frauen des Altertums
  • Die Ballade von den Vogelfreien
  • Die Ballade vom schlechten Lebenswandel
  • Die Ballade von der schönen Stadt Moorah
  • Eine kleine Liebesballade für Jeanne Cul de Quée
  • Eine verliebte Ballade für Ysabeau d'Aussigny
  • Die Ballade von den schönen Frauen von Paris
  • Die Ballade von den drei Coquillards
  • Die Ballade vom Wohlergehn
  • Die Ballade an den König
  • Die Ballade von der Klempnersfrau
  • Die Ballade einem Barbier
  • Ballade von dem Mädchen, die keinen Mann mehr finden
  • Die Ballade an den Herzog von Burgund
  • Die Ballade von der Unzufriedenheit
  • Die Liebesballade für Leylah
  • Die Zuhälterballade
  • Die Räuberballade
  • Das kleine Testament
  • Die Bettelballade für Jean Cotart
  • Vierzeiler
  • Appell an den Reichstag
  • Die Ballade von den Galgenbrüdern
  • Kleine Ballade von der Mäusefrau
  • Die Galgenballade
  • Ballade um Verzeihung
  • Die Marienballade
  • Das Große Testament
  • Nachschrift, mein Begräbnis betreffend
  • Grabgebet
  • Kleine Bibliographie
  • Inhaltsverzeichnis
Powered by GitBook
On this page

Die Ballade von der Klempnersfrau

Die Jammerballade von einer alten Klempnersfrau

¶ Nun spitzt mal eure Ohren und hört zu, was eine alte Frau euch zu erzählen hat, bevor sie wie ein abgewelktes Blatt dort unten fault, wo ieder seine Ruh und seinen Frieden finden wird, wenn er nicht mehr die Beine heben kann. Es sind schon mehr als hundert Jahre her, daß ich geschlafen hab bei einem Mann.

¶ Die kleine weiße Hexe da, das junge Ding, ist schuld, daß ich so runzlig bin. Denn ehe ich dies Lustgeschenk empfing, da war mein Haar noch nicht so grau, mein Kinn noch nicht so spitz. Auf meine weiße Haut fiel ieder Mann herein. Ich war nicht faul meiner Gunst. Ich ritt auf manchem Gaul der lief zum erstenmal mit einer Braut.

¶ Und habe manchem auch mein Hinterteil gezeigt, den ich nicht leiden konnte, weil er mir nicht reich genug erschien und stark. Und bin doch reingefallen auf ein Aas, das außer seinem Bart nur einen Quark besaß, und mir vom Brot die Butter fraß Ich werde heute noch ganz rot vor Scham, daß er mich nur der Gelder wegen nahm.

¶ Wie hat er mich herumgeboxt und schikaniert und jede Tollheit mit mir ausprobiert. Gerochen hat er wie im Pferdestall ein Haufen Mist. Und wenn ich ihm den Mund, vor Ekel und in meiner Wut, ganz wund gebissen habe, warf der grobe Hund mich an die Wand wie einen Gummiball. Jetzt hab ich selber kaum ein Brot, mich satt zu essen, das werd ich ihm mein Lebtag nicht vergessen.

¶ Er ist schon über dreißig Jahre tot und ließ mich hier zurück in meiner Not, mit meiner welken Haut im grauen Haar Wenn ich im Spiegel manchmal mein Gesicht betrachte, denk ich oft: das bist du nicht! Und doch ist dies Gesicht so sonnenklar mein Ebenbild… Ich könnte mich zerreißern und den verluchten Spiegel kurz und klein zerschmeißen.

¶ Von meiner Scönheit ist nicht eine Spur mehr da, von mcinen Brauen, wie der Sichelmond so schön gewölbt, und von der Perlenschnur der Zähne, von den Augen, glutbewohnt, on meinen Lippen, feucht und feuerrot wie die Korallen, die das Meer bespült, von meinem Haar, das sich noch weicher fühlt wie Seidenzeug aus dem Chinesenland.

¶ Von mciner Schultern hellem Elfenbein, von meinem Hals, wie Schwanenflaum so weiß und dann die kleinen Brüste, mein verliebtes Apfelpaar, so glühendheiß, daß jeder Feuer fing, wenn er sie sah Dazu die schlanken Hüften und der Bauch mit seiner kleinen Muschel da im schwarzen Rosenstrauch?

¶ … dahingewelkt wie ein Kartoffelfeld, verrunzelt Stirn und Doppelkinn, von Blatternarben bös entstellt bis zu den abgegriffnen Brüsten hin. Die hängen auf dem Lumpensack, auf meinem grauen Bauch herum. Ach Gott, wie hat das Männerpack mich stumpf gemacht und wurzelkrumm.

¶ Da kraucht man wie ein Wurm daher, als wär der Buckel hundert Zentner schwer. Und hockt am Ofen, starrt ins Feuerloch und denkt an all das Böse auf der Welt, und daß uns aus dem schweren Joch, von diesen Hungertänzen um das bißchen Geld, der Herr erlösen möchte… Ja! Wir armen Fraun, wozu sind wir noch da?!

PreviousDie Ballade an den KönigNextDie Ballade einem Barbier

Last updated 6 years ago