Das kleine Testament

Das kleine Testament (Bruchſtück)

¶ Im Jahre fünfundzwanzig meines Lebens, als ich noch sehr rüstig auf den Beinen war und durch die Landschaft fuhr, nicht wie ein üblicher Scholar der heute betteln geht und morgen schon im Loch bei Brot und Wasser brummt… o nein! Villon war auch in diesem Falle zwar kein Tugendheld. Doch hat er sich noch nie mit einer Pulle Wein zum Abendbrot begnügt; er nahm auch Reisegeld.

¶ In diesen fetten Erdenjahren also, kam mir eines Tages das Gefühl, daß ich wohl doch den dicken Trennungsstrich einbrennen muß in mein Bisher, und ohne Gram von manchem Abschied nehmen, was sehr nett und friedlich war. Es hat auch keinen Sinn, wenn man in jedem Winkel gleich sein Bett aufschlägt und sich den Sauerkohl rasiert vom Kinn.

¶ Kurzum: am warmen Herd zur Winterszeit, warf ich mich in die Heldenbrust und sagte, Franz, nun sei gescheit und tu, was du nach Gottes Ratschluß tuen mußt. Streif ab den güildenen Fingerring und sag der Kleinen, wo der Schuh dich drückt Und weint am Ende gar das dumme Ding und meint: du seist verrückt,

¶ so hau ihr eins, und wenns nicht langt, auch zwei. Sie hat dich nie mit Zuckerbrot verwöhnt. Und lagst du mal des Nachts, du Luder, bei der andern Frau, dann hat sie dir die Ohren voll geklönt. Ich habe diese Freundschaft gründlich satt. Am besten bleibt man unbeweibt und lebt dahin, wie an dem Weidenbaum ein Blatt, das abfallt und im Wasser weitertreibt.

¶ Ich habe wirklich allen Grund die alte Liebe endlich abzubaun. Nur ihretwegen hat mich ein verfluchter Hund mit seinem Säbel grün und blau gehaun. Ich habe mich gewehrt und bi ihm flott die Nase ab. Doch sie, die hinterlistige Marie, lag hinterm Busch und lachte sich kapott.

¶ Ich habe jetzt für alle Zeit genug von ihr und fordere Gerechtigkeit. Ich bin noch lange nicht ihr Trampeltier, auch wenn sie nächtelang nach meiner Liebe schreit. Die weiße Larve lügt, wenn sie mich küßt und wenn ich glaube, daß sie mich mit ihrer Liebe meint schmeckt ihr Gebiß schon längst ein anderes Gelüst und sagt: das ist doch gar nicht so gefährlich, wie es scheint!

¶ Verdammt! Sie hat mich dem Gericht verraten um ein Silberstück Die Narbe quer durch mein Gesicht, auch die verdank ich ihr, und kann vom Glück noch sagen, daß ich nicht das Augenlicht dabei verlor Wer weiß, ob morgen nicht mein Frühstückswein mit Gift veredelt ist, damit ich Tor herniederfahr zu Wurm und Stein.

¶ Was bleibt mir anderes noch zu tun als abzureisen Knall und Fall Vielleicht erblüht mir bald ein neues Huhrn in einem Bauernstall, vielleicht auch reise ich mit einem Ruderboot nach Samarkand, und nähre mich von Affenbrot und werde Elefant.

¶ Ich habe zu den wilden Tieren immer schon mich hingesehnt. Ich habe, als der Herr mich schuf, aus einem grauen Haufen Ton, Denn mit dem Sack, auf den ihrs abgesehen habt, hat längst der Hunger aufgeräumt. Ich war noch nie so ausgelaugt und abgeschabt. Ich lobe die Kartoffeln, denn sie sind in diesem Jahr so gut geraten, wie noch nie. Ich freu mich, wenn sie braten, wie ein Kind, und spüre kaum die Stiche in dem steifen Knie.

ⅩⅢ

¶ Auf alle Fälle hat Villon sein Testament gemacht, es ist, wie schon gesagt, nicht viel, was von ihm übrig bleibt, jedoch genug, daß sich die Welt ins Fäustchen lacht und eine Schmähschrift schreibt. Das schönste Stück jedoch, mein Herz in Gold, hab ich für meine Mutter reserviert. Man lege es ihr steuerfrei und unverzollt so um den Hals, daß sie's in Ewigkeit nicht mehr verliert.

ⅩⅣ

¶ Auch wenn mein Leib schon längst zerfressen ist mit einer Schar von Würmern drin am Ende denkt man doch: wo du nicht bist, Herr Jesus Christ, lebt man nur wie ein Vieh dahin in diesem Sinn, ihr Freunde, Gute Nacht! Wie leicht hat man sein bißchen Leib für eine kleine Stunde Zeitvertreib mit Wein und Weibern durchgebracht.

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