Kleine Ballade von der Mäusefrau

Eine kleine Ballabe von der Mäuſefrau, die in Villons Zelle Junge bekam

¶ Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein, weil er da draußen so allein im Schneefeld bei den schwarzen Bäumen stand. Ich habe ihm ein Kissen hingerückt, damit er ruhen konnte, und er tats beglückt sich untern Kopf. Ich legte ihm die Hand schnell auf die Augen, und da schlief er auch. Mich aber plagte schlechte Luft im Bauch Sie plagte mich, bis eine Uhr schon zwölfe schlug.

¶ Da hatte ich verdammt genug und ließ sie ab, die Luft. Davon ist zwar der gute Mond nicht aufgewacht, doch in dem Fenstereck die Mäusefrau. Sie hat im ersten Schreck geboren, was noch gar nicht fällig war. Die kleinen rosa Schnauzen piepsten da so nett daß ich sie zu mir nahm ins warme Bett

¶ Mein Gott, die lütten Dinger, noch ganz nackt und auch noch blind dabei —: mich hat das Elend so gepackt, daß mir was Nasses in die Augen kam. Dabei hat manches Weib von mir so unverhofft, wie dieses Mausetier ein Kind gekriegt, doch niemand nahm den Bastard auf… Die armen Würmer kuschten sich in meine Hand, als wäre ich ihr Vater Mäuserich.

¶ Zuletzt war auch die Mäusefrau so zahm geworden, daß sie schwänzelnd zu mir kam Die schwarzen Augen glänzten froh und groß in mein Gesicht hinein. Und plötzlich war ich auch so mäuseklein wie dieses Weib und nahm es auf den Schoß und habe wohl die ganze Nacht bei ihr geruht. ich, Franz Villon, war Blut von ihrem Blut.

Nachgedanken

¶ Im milden Licht der Winternacht hab ich mich zu den Mäusen aufgemacht. Du aber fragst: warum denn nur? Hör zu —: es ist kein Tier so klein, das nicht von dir ein Bruder könnte sein Ich weiß die Spur… nicht erst seit gestern Nacht. Mich hat schon manche Frau zum Tier gemacht.

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